Spitzenstellungswerbung

Jacob MetzlerRecht, Wettbewerbsrecht

Da es im Wettbewerbsrecht nur wenige allgemeine Regelungen gibt, laufen Unternehmer häufig Gefahr, unbewusst gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften zu verstoßen. Eine genaue Betrachtung des Einzelfalles ist daher stets von Vorteil. Auch bei der Werbung als „größter“, „erster“, „führender“ etc. Marktteilnehmer auf seinem Gebiet ist Vorsicht geboten. Nimmt der Werbende für sich allein eine Spitzenstellung auf dem Markt in Anspruch, handelt es sich um Spitzen- oder Alleinstellungswerbung. Diese kann den angesprochen Verkehr täuschen oder in die Irre führen und damit gegen §§ 3, 5 Abs. 1 UWG verstoßen.

Zulässig ist eine derartige Werbung grundsätzlich dann, wenn sie richtig ist (Köhler/Bornkamm, UWG, § 5 Rn. 5.7). Ob die Angabe richtig ist, hängt auch davon ab, welche Faktoren die angesprochenen Verkehrskreise tatsächlich als gegeben annehmen. So kann die Bezeichnung eines Unternehmens als das „erste“ beim angesprochenen Verkehr rangmäßig als das größte oder aber auch im zeitlichen Sinne als das älteste verstanden werden. Bezeichnet sich ein Unternehmen als das „größte“ seiner Branche, so stellt sich das Publikum in der Regel vor, dass es seine Mitbewerber im Umsatz und im Warenangebot merklich überragt (Köhler/Bornkamm, UWG, § 5 Rn. 5.71). Stellt das Publikum sich vor, dass die Spitzenstellungswerbung für mehrere Faktoren gilt, ist sie bereits dann unzulässig, wenn einer dieser Faktoren nicht zutrifft. Welche Vorstellungen der Addressatenkreis hat, ist jeweils im konkreten Fall zu erörtern.

Nimmt ein Unternehmen eine superlative Stellung für sich in Anspruch, sollte es einen beträchtlichen und offenkundigen Vorsprung vor den Mitbewerbern in den für das Publikum maßgebenden Faktoren haben. Andernfalls ist die Spitzenstellungswerbung nach der Rechtsprechung unzulässig (Köhler/Bornkamm, UWG, § 5 Rn. 5.73). Dieser Vorsprung muss dazu für einen längeren Zeitraum andauern und von allen voraussehbaren wettbewerbsbedingten Schwankungen weitgehend unabhängig sein. Hierfür bildet die Umsatzhöhe ein wesentliches Kriterium.

In der Regel nehmen die Adressaten derartiger Werbeangaben die Anpreisungen ernst. Etwas anderes gilt nur, wenn der Verkehr auf den ersten Blick erkennt, dass es sich um eine nicht ernst gemeinte Übertreibung ohne sachlichen Hintergrund handelt. Eine solche zulässige reklamehafte Übertreibung liegt zum Beispiel vor, wenn Telekommunikationsanbieter „die einfachste Art Telefonkosten zu sparen“ (LG Köln MMR 2002, 556) versprechen oder behaupten, „Ab sofort heißt es bundesweit (…) vorwählen und schon haben Sie gespart“ (LG Düsseldorf MMR 2003, 341). Ebenfalls hat der BGH den Kellog’s-Slogan „Kellog’s – Das Beste jeden Morgen“ für offensichtlich überzogen und daher nicht irreführend, sondern zulässig befunden (BGH I ZR 318/98). Da es von vielen individuellen Faktoren abhinge, was für Frühstücker morgens das Beste sei, entzöge sich der Slogan weitgehend einer objektiven Nachprüfbarkeit. Abgesehen von diesen Beispielen der Superlativwerbung sollte aber nicht vorschnell von einer reklamehaften, offensichtlichen Übertreibung ausgegangen werden. Die Werbung einer Tanzschule, die beim Besuch ihrer Tanzschule einen „Lernerfolg garantiert“, ist beispielsweise für irreführend und damit unzulässig gehalten worden (OLG Hamm, Az. U 171/12). Auch über den Tellerrand des deutschen Rechts hinaus ist die Neigung der Werbeadressaten, die Anpreisungen wörtlich zu nehmen, manchmal verblüffend. So hat der österreichische Energydrink-Hersteller Red Bull nun einen Vergleich über 13 Millionen Dollar mit amerikanischen Kunden geschlossen; jene hatten eine Sammelklage verfasst, weil der Energydrink entgegen des Werbeslogans keine „Flügel verleiht“.

Weitere Beispiele zur Spitzenstellungs- und Alleinstellungswerbung:

  1. Angebot von „tiefsten Preisen“
    Wirbt ein Unternehmer mit den „tiefsten Preisen der Region“ oder gibt er eine „Tiefpreisgaratie“, nimmt er an sich eine Alleinstellung in Anspruch. Hier kann sich aber auch aus dem Gesamtzusammenhang der Werbung ergeben, dass der Unternehmer preisgünstigere Angebote von Mitbewerbern für möglich hält und den Verbrauchern durch seinen Slogan garantiert, ihnen im Falle des Nachweises günstigerer Preise bei einem Mitbewerber die Differenz zu erstatten (OLG Bremen 2004, 505).
  2. Domainname
    Sofern der Unternehmer einen Gattungsbegriff (zum Beispiel „Mitwohnzentrale“) als Domainnamen verwendet (zum Beispiel „mitwohnzentrale.de“), nimmt der Internetnutzer unter Umständen an, es handele sich um das einzige Unternehmen dieser Gattung (vgl. BGHZ 148, 1, 13). Dies kann dazu führen, dass er irrtumsbedingt nicht nach weiteren Unternehmen der entsprechenden Branche sucht. Auch in diesen Fällen ist eine unzulässige Alleinstellungswerbung denkbar. Allerdings kann der Unternehmer – auch wegen der beschränkten Gestaltungsmöglichkeiten bei Domainnamen – diesen Vorwurf ausräumen, indem auf der ersten sich öffnenden Seite eine unmissverständliche Klarstellung erfolgt.
  3. „Führendes“ Unternehmen
    Bezeichnet ein Werbender sein Unternehmen als das „führende“ seiner Branche, kann das Publikum sowohl die quantitative als auch die qualitative Führung annehmen. In der Regel wird der Verkehr eher eine qualitative Führung erwarten (Köhler/Bornkamm, UWG, § 5 Rn. 5.83). So muss das „führende Hotel“ der Stadt nicht in seiner Größe, sondern in Komfort und Service führend sein, das „führende Filmtheater“ das beste Programmangebot bieten. Bei Produktionsunternehmen hingegen ist es nicht unwahrscheinlich, dass das Publikum sowohl von einer qualitativen als auch quantitativen Führung ausgeht (Hdb WettbR/Helm, § 59 Rn. 225). Ein Nachrichtenmagazin darf die „Marktführerschaft“ nur für sich in Anspruch nehmen, wenn es das Konkurrenzblatt nicht nur in der Reichweite, sondern auch in der Auflage übertrifft (BGHZ 156, 250, 256). Dies gilt nicht nur gegenüber dem allgemeinen Publikum, sondern auch gegenüber potenziellen Interessenten.
  4. Werbung mit der Zugehörigkeit zu einer Spitzengruppe
    Eine weitere Variante von Spitzenstellungswerbung liegt darin, sich als „eines der größten und modernsten Unternehmen“ eines bestimmten Geschäftszweiges zu bezeichnen. Diese Werbung ist unzulässig, wenn der Werbende unter vergleichbaren Unternehmen lediglich den dritten Rang annimmt. Entscheidend für die Zulässigkeit ist hier, dass der Werbende einer geschlossenen Spitzengruppe angehört, welche einen beträchtlichen Abstand zu den übrigen Mitbewerbern der Branche gewonnen hat. Das drittgrößte Unternehmen darf sich somit nicht mit seiner Position als „drittgrößtes“ Unternehmen brüsten, wenn zu den beiden größeren Unternehmen ein erheblicher Abstand besteht (Köhler/Bornkamm, UWG, § 5 Rn. 5.74).
  5. Werbung mit Altersangaben
    Superlative Altersangaben sind – sofern sie wahr sind – grundsätzlich zulässig, wenn nur das Gründungsdatum oder der zeitliche Bestand des Unternehmens herausgestellt wird. Wenn eine Filiale nachträglich in ein Unternehmen eingegliedert wurde, muss der Unternehmer gegebenenfalls auf die nachträgliche Eingliederung hinweisen, wenn er mit dem Alter des Stammhauses für die Filiale wirbt. Dies gilt zumindest dann, wenn die Filiale erst hundert Jahre nach der Unternehmensgründung eingegliedert wurde. Der Verkehr erwartet nämlich, dass die einzelnen Filialen aus der Tradition des Stammhauses erwachsen sind und sie daher mit einem organisch entwickelten Gesamtunternehmen konfrontiert sind. Unzulässig ist eine Alterswerbung für Kölsch mit der Darstellung des „Original-Rezeptes“ auf einer alten, im Laufe der Zeit erheblich beschädigten Pergamentrolle mit auffallendem Siegel, wenn die Brauerei das Bier erst seit jüngerer Zeit braut (Köhler/Bornkamm, UWG, § 5 Rn. 5.67).