Urteilsbesprechung – Filesharing – Oberlandesgericht Hamburg, 5 U 222/10, Urteil vom 07.11.2013

Jacob MetzlerAbmahnung, Abmahnung (Filesharing), Recht

Urteilsbesprechung Oberlandesgericht Hamburg, 5 U 222/10, Urteil vom 07.11.2013

Das Oberlandesgericht Hamburg schlug mit seinem Urteil vom 07.11.2013 einen neuen Weg zur Berechnung von urheberrechtlichen Schadensersatzansprüchen ein und korrigierte das Urteil der ersten Instanz deutlich nach oben. Nebenbei stellte es die Verantwortlichkeit des Erziehungsberechtigten wegen Aufsichtspflichtverletzung fest. 

LG: Schadensersatz i.H.v. 15 EUR pro Titel Im Ausgangsfall hatte ein Jugendlicher zwei Musikaufnahmen über eine Filesharing-Plattform heruntergeladen, womit durch die P2P-Technik das parallele Hochladen derselben Dateien einhergeht. Erstinstanzlich hatte das LG Hamburg einen Schadensersatzanspruch auf 15 Euro pro Musikstück beziffert und sich dabei an dem (mittlerweile ohnehin aufgehobenen) GEMA-Tarif VR-OD 5 für die Nutzung von Werken des GEMA-Repertoires Music-on-Demand zum privaten Gebrauch orientiert. 

OLG: GEMA-Tarife nicht zur Berechnung heranziehen Die Klägerinnen (die Inhaberinnen der ausschließlichen Tonträgerherstellerrechte an der Musikaufnahme) hatten Berufung eingelegt, weil sie den Schadensersatz am GEMA-Tarif VR-W I für Musikstreaming im Internet zur Berechnung herangezogen wissen wollten. Das OLG kam dagegen zu der von beiden Varianten abweichenden Ansicht, dass die GEMA-Tarife überhaupt nicht zur Berechnung herangezogen werden sollten. Die von der GEMA herausgegebenen Tarife seien „schon deshalb nicht geeignet, weil die GEMA ausschließlich die Urheberrechte der Komponisten/Textdichter vertritt, die Nutzung von Musikdateien im Internet hingegen wesentlich weitergehende Rechte Dritter betrifft, insbesondere die Leistungsschutzrechte des Tonträgerherstellers und der ausübenden Künstler.“ Weiter wird ausgeführt, dass im privaten Filesharing keine kommerziellen Tarife greifen könnten, weil die Dateien unentgeltlich zur Verfügung gestellt würden und der seinerseitige Zugang zu den verfügbaren Dateien keine Gegenleistung darstelle. Zudem sei der Kreis der Nutzer, die die hochgeladene Datei herunterladen, sehr schlecht übersehbar oder unter Umständen gar nicht vorhanden. Einen Tarif zu verwenden, der in Tausendereinheiten erreichter Personen rechnet, sei daher nicht angemessen. 

Pauschalbetrag von 200 EUR pro Titel angemessen Das Gericht kommt nach freiem Ermessen gemäß § 287 ZPO zu dem Ergebnis, dass 200 Euro pro Musikstück einen angemessenen Schadensersatz ergeben. Dies sei ein Pauschalbetrag, denn eine individuelle Bewertung des Schadensersatzbetrags für jedes Musikstück, das sich an Alter, Chartsplatzierung, Verkaufszahlen, Bekanntheit der Gruppe und anderen Faktoren orientiert, würde einen unangemessen hohen zeitlichen und organisatorischen Aufwand mit sich bringen.

Kompromiss zu Lasten der P2P-Nutzer 200 Euro als Pauschalbetrag sind in Anbetracht der 15 Euro pro Musikstück, die das LG Hamburg gefordert hatte, eine dramatische Erhöhung. Jedoch muss bedacht werden, dass die Klägerinnen nach dem GEMA-Tarif 300 Euro pro Musikstück gefordert hatten und das OLG diese Forderung zu Gunsten der Beklagten als Privatpersonen abgewiesen hat. In der Schätzung der 200 Euro wurde zudem die besondere Beliebtheit der vom Beklagten hochgeladenen Musikstücke nicht zu seinen Lasten einbezogen. Das OLG hat einen Kompromiss gefunden, der jedoch die Privatperson, die nichtkommerziell P2P-Netzwerke nutzt, nicht recht zufrieden stellen mag. Insbesondere ist das Gericht auf die Besonderheiten des Filesharings nicht näher eingegangen, wie es später beispielsweise das AG Köln in seiner Entscheidung vom 10.03.2014 (Az. 125 C 495/13) tat. 

Im Zweifel Aufsichtspflichtverletzung der Erziehungsberechtigten Des Weiteren wies das OLG die Entscheidung des LG Hamburg zurück, der Erziehungsberechtigte des Jugendlichen, der das Filesharing-Netzwerk genutzt hatte, sei nicht wegen Verletzung der Aufsichtspflicht in Anspruch zu nehmen. Wie weit die Aufsichtspflicht des Erziehungsberechtigten reicht, wird zwar ausgeführt, jedoch ist im konkreten Fall entscheidend, dass der Vater keinen berücksichtigungsfähigen Sachvortrag über getroffene Präventionsmaßnahmen in den Prozess eingeführt hat und somit die gesetzliche Vermutung einer Verantwortlichkeit des § 832 Abs. 1 Satz 1 BGB greift. 

Derartige Versäumnisse in der Prozessvorbereitung können durch eine gute rechtliche Beratung verhindert werden und gerade in Fällen des Filesharings mit sich ständig fortentwickelnder Gesetzeslage und Rechtsprechung sollte schon bei der ersten Abmahnung der Kontakt zu einem Anwalt gesucht werden, der sich auf Urheberrecht spezialisiert hat.