LG Magdeburg, Urteil vom 29. 8. 2002 – 36 O 115/02 (014)

Jacob MetzlerRecht, Wettbewerbsrecht

Vertragsanbahnung mit Fernkommunikationsmitteln

Zum Sachverhalt:
Die Parteien stehen im Wettbewerb auf dem Telekommunikationsmarkt und dabei insbesondere beim Anbieten von Kabelfernsehen. Die Bekl. hatte mit Mietern der Kabelanschlussverträge geschlossen. Nach Kündigung des zwischen der W und der Bekl. geschlossenen Gestattungsvertrags übernahm die Kl. bei einem Großteil der Mieter die Versorgung mit Kabelfernsehen. Mit Schreiben vom 13. 12. 2001 hat sich die Bekl. an Mieter der gewandt und diese aufgefordert, mit ihr Kabelanschlussverträge zu schließen. Dem Schreiben war eine Antwortpostkarte beigefügt. Wegen der Einzelheiten von Schreiben und Antwortpostkarte wird auf die genannten Schriftstücke verwiesen. Die Kl. sieht in der Zusendung der genannten Schriftstücke wegen deren ungenügenden Inhalts Verstöße gegen das Fernabsatzgesetz bzw. gegen § 312c BGB i.V. mit der Verordnung über Informationspflichten nach bürgerlichem Recht (BGB-InfoV) und nimmt die Bekl. sowohl nach § 1 als auch nach § 3 UWG auf Unterlassung in Anspruch. Die Kl. beantragt, die Bekl. zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken in der Form zu werben, dass die Bekl. Verbrauchern unter ausschließlichem Einsatz von Fernkommunikationsmitteln ein konkretes Angebot zusendet und diese zum Abschluss eines Vertrages auffordert und dabei (a) die Bekl. den Kunden in dem Werbeschreiben bzw. dem Vertragsangebot nicht darüber informiert, wann der Vertrag mit der Bekl. zu Stande kommt, (b) sie in dem Vertragsangebot bzw. dem Werbeschreiben lediglich die Anzahl der zur Verfügung gestellten Fernsehprogramme ohne weitere Beschreibung der Leistung der Bekl., insbesondere Benennung der Programme, angibt, (c) sie keine eindeutigen Angaben hinsichtlich der Mindestlaufzeit des Vertrags in dem Werbeschreiben bzw. dem Vertragsangebot aufnimmt, (d) sie in dem Werbeschreiben bzw. dem Vertragsangebot nicht darlegt, wann und in welcher Form die monatlichen Zahlungen bzw. die Zahlung der Jahresvergütung zu erfolgen hat. Die Bekl. beantragt, die Klage abzuweisen. Sie stellt die Anwendung des Fernabsatzgesetzes in Abrede, weil es nicht zum Abschluss von Verträgen gekommen ist. Allein mit einer Werbeaktion könne man nicht gegen das Gesetz über Fernabsatzverträge verstoßen. Darüber hinaus handele es sich nicht um Fernabsatzverträge, weil eventuell abgeschlossene Vereinbarungen nicht ausschließlich unter dem Einsatz von Fernkommunikationsmitteln getroffen worden seien. Es müsse berücksichtigt werden, dass die Kunden das Produkt bei der Bekl. bereits gekannt hätten, weil mit ihnen langjährige Geschäftsbeziehungen bestanden hatten. Die Klage hatte nur mit den Anträgen zu lit. a und d Erfolg.

Aus den Gründen:

1. a) Die Bekl. hat mit ihrer Werbung gegen § 2II Nr. 2 FernAbsG verstoßen und ist gem. § 1 UWG zur Unterlassung zu verurteilen. Dass die genannte Vorschrift des Fernabsatzgesetzes durch § 312c BGB i.V. mit § 1I Nr. 3 der BGB-InfoV ersetzt worden ist, ist unerheblich. Beide Vorschriften enthalten eine inhaltsgleiche Informationspflicht, so dass die Werbung der Bekl. auch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht den gesetzlich vorgeschriebenen Informationspflichten entspricht. Unerheblich ist auch, ob es auf Grund der Werbung zu einem Vertragsschluss gekommen ist oder nicht. § 2II FernAbsG betrifft gerade die vorvertragliche Phase und schreibt vor, dass die Informationspflicht rechtzeitig vor Abschluss des Vertrages erfüllt werden muss, um den Verbrauchern eine informierte Entscheidung zu ermöglichen (Wendehorst, in: MünchKomm, 4. Aufl., § 2 FernAbsG Rdnr. 30). Ausgelöst werden die Informationspflichten durch die bloße Kontaktaufnahme zwischen Unternehmer und Verbraucher (Wendehorst, in: MünchKomm, § 2 FernAbsG Rdnr. 31). Mit der Rücksendung der Postkarte hat der angeschriebene Verbraucher nach der Behauptung der Bekl. die Handlung vorgenommen, die zum Vertragsschluss führt. Weitere Informationsmöglichkeiten bestehen danach nicht mehr. Die Verträge sollten auch ausschließlich unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln geschlossen werden. Dies gilt auch dann, wenn die angeschriebenen Personen das Produkt der Bekl. schon kannten. Entscheidend ist, dass sowohl für den Antrag als auch für die Annahmeerklärung Fernkommunikationsmittel eingesetzt werden. Denn allein die Kenntnis vom Produkt der Bekl. bedeutet nicht die Kenntnis von allen für den Vertragsschluss wesentlichen Umständen. Ob und inwieweit angeschriebene Personen von diesen Umständen auf andere Weise Kenntnis hatten, trägt die Bekl. nicht vor. Die angeschriebenen Verbraucher haben keine hinreichende Information darüber erhalten, wann der Vertrag mit der Bekl. zu Stande kommt. Dazu hätte gehört, dass die Bekl. den angeschriebenen Verbrauchern genau die Handlung bezeichnet, die nach ihrer Auffassung den Vertrag zu Stande bringt. Die angeschriebenen Personen konnten aber nicht wissen, ob die Rücksendung der Karte ihr Angebot oder aber die Annahme eines Angebots der Bekl. darstellt. Darüber, wann der Vertragsschluss erfolgen sollte, wurden die Verbraucher nicht hinreichend aufgeklärt. Die Missachtung dieser Informationspflicht stellt eine wettbewerbswidrige Handlung i.S. des § 1 UWG dar. Das Fernabsatzgesetz dient dem Schutz der Verbraucher, so dass ein Verstoß gegen dessen wertbezogene Vorschriften die Rechtsfolgen des § 1 UWG auslöst. b) Die Verletzung der Informationspflicht ist der Bekl. aber auch nach § 3 UWG zu untersagen. Die Hinweise der Bekl. in dem Anschreiben bzw. der Antwortpostkarte sind in Bezug auf die Frage, wann ein Vertrag mit der Bekl. zu Stande kommt, widersprüchlich und damit irreführend i.S. des § 3 UWG. Während dem angesprochenen Personenkreis vorgespiegelt wird, dass er keine weitere Handlung zum Vertragsschluss vornehmen muss als die Antwortpostkarte zurückzusenden, kommt nach den Kabelanschlussbedingungen der Bekl. ein Vertrag erst nach beiderseitiger Unterzeichnung des vollständig ausgefüllten Vertragsformulars zu Stande. Auf den Antwortpostkarten findet sich der Hinweis, dass der Verbraucher die AGB der Bekl. akzeptiert. Danach bestehen nach den Informationen, die der Verbraucher von der Bekl. zum Vertragsschluss erhalten hat, mehrere Möglichkeiten dazu, durch welche Rechtshandlung der Vertrag zu Stande kommt. Das ist irreführend i.S. von § 3 UWG. 2. Begründet ist die Klage auch im Antrag zu lit. d. a) Die Bekl. hat die Verbraucher nicht ausreichend darüber informiert, wann und in welcher Form die monatlichen Zahlungen bzw. die Zahlung der Jahresvergütung zu erfolgen hat (§ 2II Nr. 7 FernAbsG). Die Informationen der Bekl. betreffen nur den Fall der Einzugsermächtigung. Hinweise darauf, wie im Fall der nicht erteilten Einzugsermächtigung zu verfahren ist, sind nicht erfolgt. Die Auffassung der Bekl., dass insoweit nur die Barzahlung bleibt, überzeugt angesichts der Möglichkeiten z.B. durch Scheck oder Banküberweisung zu zahlen, nicht. Der Unterlassungsanspruch folgt daher auch insoweit schon aus § 1 UWG. b) Der Unterlassungsanspruch der Kl. ist aber auch nach § 3 UWG begründet. Wie wichtig eindeutige Hinweise der Bekl. zu Einzelheiten der Zahlung gewesen wären, zeigt auch hier wiederum die Widersprüchlichkeit ihrer Angaben. So fehlt z.B. jeder Hinweis darauf, dass nach den AGB der Bekl., die ja nach ihrem Willen Vertragsbestandteil werden sollten, eine Zahlung nicht im Wege der Einzugsermächtigung einer besonderen Vereinbarung bedarf und ein besonderes Entgelt zur Abdeckung des erhöhten Bearbeitungsaufwands bedingt (Nr. 3.4 der Kabelanschlussbedingungen der Bekl.). Unabhängig davon, ob die AGB wirksam in die geschlossenen Verträge einbezogen wären oder eventuell einer Individualvereinbarung Vorrang zu geben wäre, bleibt der rechtlich unerfahrene Verbraucher vor Abschluss des Vertrags im Unklaren darüber, wie er zu zahlen hat und welche Folgen Zahlungsmodalitäten ohne Einzugsermächtigung für ihn haben. Die durch den einmaligen Verstoß indizierte Wiederholungsgefahr wird dadurch verstärkt, dass die Bekl. ihr Vorgehen für rechtmäßig hält, so dass zu befürchten ist, dass sie auch in Zukunft in dieser Weise Kontakt zu möglichen Kunden aufnimmt. II. Im Übrigen ist die Klage jedoch unbegründet. 1. Die Bekl. ist nicht verpflichtet, neben der Zahl der zu empfangenden Fernsehprogramme und dem Entgelt dafür auch die Programme im Einzelnen zu benennen. Nach § 2II Nr. 2 FernAbsG sind die wesentlichen Merkmale des Produkts der Bekl. zu nennen. Es ist nicht erforderlich, dass der Verbraucher über alle Einzelheiten der Dienstleistung der Bekl. aufgeklärt wird. Er soll nur in die Lage versetzt werden, das Leistungsangebot der Bekl. für die Zwecke des konkreten Vertragsschlusses im Vergleich mit anderen Angeboten zu bewerten (Wendehorst, in: MünchKomm, § 2 FernAbsG Rdnr. 49). Wenn die Bekl. auf 32 Programme hinweist, wird damit für den Interessenten deutlich, dass in diesem Paket die für ihn wesentlichen Programme der öffentlichen und privaten Sendeanstalten enthalten sind. Aus dem Vorbringen der Kl. ist nicht ersichtlich, dass das Produkt der Bekl. Merkmale enthält, ohne deren Kenntnis ein durchschnittlicher und vernünftig denkender Verbraucher, der sich einen gewissen Überblick über den betreffenden Markt verschafft hat, die Dienstleistung der Bekl. nicht erwerben würde. 2. Auch die Angaben der Bekl. in den genannten Schriftstücken zur Mindestlaufzeit des Vertrags entsprechen den Anforderungen des § 2II Nr. 3 FernAbsG. In der Werbepostkarte und in dem Schreiben vom 13. 12. 2001 wird die Zeit für die Gültigkeit des Sonderangebots mit 1. 3. 2002 bis 28. 2. 2003 angegeben. Darüber hinaus enthält die Werbepostkarte den Hinweis auf eine Vertragsbindung von zwölf Monaten. Daraus ergibt sich für den durchschnittlichen und vernünftig denkenden Verbraucher, dass er vor Ablauf von zwölf Monaten nicht aus dem Vertrag aussteigen kann. Es wird ihm klar, dass der Vertrag frühestens nach Ablauf dieser festen Zeitspanne durch ordentliche Kündigung beendet werden kann.