EuGH: Generalanwalt lehnt Störerhaftung für Gewerbetreibende ab

Jacob MetzlerAbmahnung (Filesharing), EU-Richtlinie, Recht, Urheberrecht

Der Generalanwalt Szpunar lehnt in seinem Schlussantrag an den EuGH die Haftung eines Gewerbetreibenden für Urheberrechtsverletzungen ab, die über sein kostenfreies und unverschlüsseltes öffentliches W-LAN von Dritten begangen werden.

 

Rechtsverletzung eines Dritten über W-LAN eines Geschäftes

Im aktuellen Fall geht es um einen Geschäftsbetreiber, der in der Nähe von München ein öffentlich zugängliches, kostenfreies und unverschlüsseltes W-LAN zur Verfügung stellt.

Über dieses W-LAN wurde 2010 ein Musikwerk rechtswidrig zum Herunterladen angeboten. Das LG München I hielt eine mittelbare Haftung (Störerhaftung) des Geschäftsbetreibers für denkbar. Es hatte jedoch Bedenken, ob die Störerhaftung mit der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr (RL 2000/31/EG) vereinbar ist. Deshalb legte das LG den Fall dem EuGH vor.

Nun veröffentlichte der EuGH am 16.03.2016 den Schlussantrag des Generalanwalts Szpunar, der dem EuGH unabhängig und neutral Entscheidungsvorschläge gibt.

 

Haftungsbeschränkung der EU-Richtlinie auch für kostenfreies öffentliches W-LAN

Szpunar führt aus, dass die Richtlinie eine Haftung für Dritte ausschließe, wenn jemand Zugang zu einem Kommunikationsnetz – wie dem W-LAN – vermittelt („Dienst der reinen Durchleitung“) und nach Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie die Übermittlung von Informationen nicht veranlasst, den Adressaten der Übertragung nicht auswählt und die übermittelten Informationen nicht auswählt oder verändert.

Der Generalanwalt hält alle Voraussetzungen für erfüllt. Er ist der Ansicht, dass die Richtlinie auch für Gewerbetreibende gelte, die das W-LAN lediglich unentgeltlich als Nebentätigkeit betreiben. Denn das W-LAN würde regelmäßig zur Ausübung der Haupttätigkeit beitragen und auch eine Form des Marketings sein. Eine unmittelbare Vergütung sei nach ständiger Rechtsprechung nicht erforderlich.

Insgesamt habe das unentgeltliche Anbieten des W-LAN den notwendigen Charakter einer wirtschaftlichen Dienstleistung im Sinne der Richtlinie.

 

Keine Verpflichtung zur Zahlung von Schadensersatz, Abmahn- oder Gerichtskosten

Durch die Anwendung der Richtlinie sei der Geschäftsbetreiber weder zur Zahlung von Schadensersatz, noch zur Tragung der Abmahnkosten oder Gerichtskosten verpflichtet. Jede Verurteilung zu einer Zahlung oder Kostentragung habe eine strafende Wirkung, die dem Zweck der Richtlinie entgegenstehe.

Der Geschäftsbetreiber könne nach Art. 12 Abs. 3 der Richtlinie lediglich mit einer mit Ordnungsgeld bewehrten gerichtlichen Anordnung dazu verpflichtet werden, die Rechtsverletzung zu beenden oder zu verhindern. Er dürfe jedoch nicht dazu verpflichtet werden, sein öffentliches W-LAN stillzulegen, es mit einem Passwort zu sichern oder die Nutzung des W-LAN generell zu überwachen.

 

Einschätzung des Schlussantrags

Sollte der EuGH dem Schlussantrag des Generalanwalts Szpunar folgen, wäre dies eine wichtige Entscheidung im Rahmen der Störerhaftung. Gewerbetreibende, die ein unverschlüsseltes öffentliches W-LAN anbieten, hätten dann Rechtssicherheit.

Zu beachten ist, dass dieser Schlussantrag sich nur auf Gewerbetreibende bezieht. Wer also privat ein unverschlüsseltes öffentliches W-LAN betreibt, könnte sich nicht auf die Haftungsbeschränkung dieser Richtlinie berufen. Denn die in der Richtlinie genannten Dienste beziehen sich auf wirtschaftliche Dienstleistungen innerhalb des Binnenmarkts.